Spannendes Leben
Ulrike Hug-Stüwe Mode
Mit 95Jahren kandidiert Gina Lollobrigida bei der bevorstehenden Parlamentswahl in Italien für den Senat. Das passt zu ihr. Denn ihre Biografie zeigt, dass es sich lohnt, auf mehr als nur einem Bein zu stehen.
In den vergangenen Monaten erschien der Name Gina Lollobrigida vermehrt in den Medien. Zum einen feierte «Gina nazionale» oder «Lollo», wie sie auch genannt wurde, ihren 95.Geburtstag. Zudem kündigte sie an, für das italienische Parlament kandidieren zu wollen. Sie hat sich für die linksgerichtete Partei Italia sovrana e popolare aufstellen lassen. Etwas «Gutes» wolle sie für ihr Land tun, denn es stehe nicht gut um Italien, so verkündete sie. Zusätzlich Futter für die Medien brachte ein Familienstreit mit ihrem Sohn. Lollobrigida darf seit vergangenem Oktober nicht mehr über ihren Besitz verfügen. Offenbar soll Sohn Andrea Milko Skofic dem um über drei Jahrzehnte jüngeren Assistenten seiner Mutter, Andrea Piazzolla, nicht trauen. Der Vorwurf: Piazzolla erschleiche sich ein Vermögen und nutze seine Mutter aus. Das Gericht sah in Piazzolla tatsächlich jemanden, der sich über das Verhältnis zu Gina Lollobrigida bereichern wolle. Nun wacht ein Vormund über das Vermögen der Diva.
Amerika hatte Marilyn, Europa Gina
Gina Lollobrigida wurde 1927 in Subiaco nahe Rom geboren und auch wenn es sich so anhört, ihr Name ist kein Künstlername. Er ist die Koseform ihres Vornamens Luigina. Der Nachname stammt von ihrem Vater Giovanni Mercuri Lollobrigida. Bereits in jungen Jahren erhielt sie privaten Tanz-, Gesangs- und Zeichenunterricht. Sprachunterricht besuchte sie ebenso. Aufmerksamkeit und Scheinwerferlicht wurden ihr erstmals als Dreijährige zuteil: Sie wurde zum «Schönsten Kleinkind Italiens» gekürt, weitere Platzierungen bei Schönheitswettbewerben folgten in den 1940er Jahren. 1945 stand sie erstmals auf einer Theaterbühne, was sie jedoch nicht davon abhielt, die Chance wahrzunehmen, Malerei und Bildhauerei am Liceo Artistico in Rom zu studieren. Dies mit Hilfe eines Stipendiums. Eine Ausbildung zur Opernsängerin folgte.
Am Anfang ihrer Karriere spielte sie noch als Statistin in Filmen und fungierte als Model in italienischen Fotoromanen. Erste Rollen in Produktionen, wie «La sposa non può attendere» aus dem Jahr 1949 oder «Vita da cani» aus dem Jahr 1950 markierten dann den Anfang ihres Filmschaffens. Den internationalen Durchbruch erlangte sie mit ihrer Rolle als Adeline 1952 im Film «Fanfan, der Husar» unter Regie von Christian-Jaque und an der Seite von Gérard Philipe. Neben Anthony Quinn spielte sie 1956 die Esmeralda im Film «Der Glöckner von Notre Dame» und die Lola in Carol Reeds Film «Trapez» neben Burt Lancaster und Tony Curtis. Gesamthaft wirkte sie in etwa 70Fernseh-und Filmproduktionen mit. Zuletzt 2011 in «Box Office 3D: Il film dei film», einer Parodie, die am Filmfestival in Venedig Premiere feierte und in dem Gina Lollobrigida sich selbst spielte.
Fokuswechsel in den Siebzigern
Anfang der 1970er Jahre – Gina Lollobrigida zierte bis dahin zahlreiche Magazincover, war eine mehrfach preisgekrönte Schauspielerin und bejubeltes Idol – begann sie sich vermehrt auf ihre Arbeit als Fotografin zu fokussieren. Sie porträtierte als Fotojournalistin erfolgreich Künstler, wie Salvador Dalí, Politiker wie Henry Kissinger, Ronald Reagan oder Fidel Castro oder Schauspielerkollegen wie Paul Newman. Für die italienische Ausgabe der «Vogue» stand sie ebenfalls hinter der Kamera. 1973 erschien Lollobrigidas erste Publikation «Italia mia». Der Band vereint Schwarz-Weiss- und -Farbfotografien und ist voller Witz und Poesie, Melancholie und natürlich Dolce Vita. Weitere Publikationen wie «The Philippines» folgten.
Sie engagierte sich als Botschafterin für die Unesco und Unicef, später auch für Ärzte ohne Grenzen. Ihre Engagements und künstlerischen Ambitionen sorgten dafür, dass sie weiterhin im Rampenlicht stehen konnte, denn in den 1970er Jahren wurde die Dichte an gefeierten Schauspiel-Ikonen in Europa grösser. «Lollo» reagierte, auf die Italienerin Loren angesprochen, gelassen mit: «Ich war zuerst.» Und verfolgte ambitioniert zweigleisig ihren Weg als Künstlerin und ab und an auch als Schauspielerin.
Eine erste umfassende Werkpräsentation mit ihren Skulpturen fand 2003 in Paris statt. Um ihre Skulpturen zu verkaufen, gründete sie eine Ladenkette namens «Gina» und gab dann gleich auch noch eine Publikation heraus, die ihr Leben als Künstlerin thematisierte.
Lollobrigida ist wohl einer der wenigen Filmstars ihrer Zeit, die so vorausschauend ihre Karriere gestalteten. Sie, die gern auch als Star mit aussergewöhnlicher erotischer Ausstrahlung gehandelt wurde, hatte sich da eine Tür offengehalten, die sie unabhängig vom Aufmerksamkeitsrauschen der Filmindustrie machte. In beiden Rollen schien sie aufzugehen.
Warten wir die Wahlen in Italien am 25.September ab. Es könnte der einzig wirklich unterhaltende Faktor dieses politischen Zirkus sein. «Gina nazionale» hat ja recht, wenn sie sagt: Es steht nicht gut um Italien. Jetzt stelle man sich mal vor, wie der 85-jährige Silvio Berlusconi debattierend auf die 95-jährige Gina Lollobrigida trifft.
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